Bis an die Grenzen - Symphonie-Orchester präsentiert beim Frühjahrskonzert ein mutiges Programm
Wenn ein Ochester Maurice Ravels Boléro aufs Programm setzt, ist ihm ein Erfolg gewiss. Auch das Symphonische Orchester Ostfildern wurde nach dem viertelstündigen Crescendo, in dem Ravel ein archaisch-einfaches Thema über ostinatem Rhythmus nach 18-maliger, unterschiedlich instrumentierter Wiederholung zu einer gewaltigen Klimax führt, mit Beifall überschüttet. Doch die überragende Leistung des Frühjahrskonzerts im Nellinger Theater an der Halle hatte zuvor Christoph Zantke geboten. Der Nuklearmediziner zeigte, zu welch superben Leistungen sich ein ambitionierter Amateurmusiker aufschwingen kann, wenn er sich ernsthaft mit seinem Instrument beschäftigt: Zantke bearbeitete in Ernst Blochs Schelomo sein Vionlonchello derart gekonnt, dass die Grenzen zum Professionalismus verschwammen.
Dabei hatte der 1880 in Genf geborene, während der Nazizeit in die USA ausgewanderte Bloch dem Solisten hohe Hürden gesetzt, verlangt in der 1916 entstandenen hebräischen Rhapsodie nicht nur technische Versiertheit, sondern insbesondere gestalterisches Gefühl: Nur so kann man dem tönenden Testament des alttestamentarischen Königs Salomo Kontur geben. Zantke gelang dies mit sattem Strich, glühendem Ton und einer musikalischen Tiefe, die weit über den reinen Notentext hinausging.
Das von Alexander Burda routiniert geführte Orchester war dem Solisten ein ebenso zuverlässiger Sekundant, wie es eingangs den klingenden Grund in Richard Strauss erstem Hornkonzert gelegt hatte. Auf solch sicherem Fundament fühlte sich Eduard Funk sichtlich wohl, spielte alle technischen Finessen seines Instruments voll aus. Im Kopfsatz kommt Strauss mit einer horngemäßen, signalartigen Motivik den Möglichkeiten des Soloinstrumentes entgegen. Nach dem lyrisch-verhangenen Andante greift das Rondo die Textur des Kopfsatzes erneut auf: Dreiklangsmotive und Echoeffekte bestimmen das Klangbild. Funk schaffte den Spagat zwischen schmetternden Signalen und weichen Kantilenen mühelos, überzeugte durch saubere Tonbildung und langen Atem in den ruhigen Passagen.
Inspiriert durch eine Gedenkausstellung seines Malerfreundes Victor Hartmann komponierte Modest Mussorgski im Jahr 1874 seinen Klavierzyklus Bilder einer Ausstellung. Die Idee ist so einfach wie genial: Ein Ich-Erzähler streift durch die Galerie und betrachtet die Bilder, wobei ein wiederkehrendes Zwischenspiel (Promenade) die verbindende Klammer legt.
Zunächst blieb der Klaviersatz im Verborgenen: Mussorgskis Geniestreich schaffte es erst in den Konzertsaal, als Maurice Ravel 1922 für den berühmten Dirigenten Sergei Kussewizki eine Orchesterbearbetung hergestellt hatte. In dieser Fassung präsentierte das Symphonische Orchester Ostfildern die Bilder einer Ausstellung. Ein mutiges Unterfangen - man spürte, dass Alexander Burda seine tüchtigen Amateurmusiker bewusst an die Grenzen geführt hatte. Doch wenn auch nicht alle Feinheiten in der gebotenen Brillanz erstrahlten, so blätterte das Orchester doch eine breite Palette an Klangfarben auf, vom bedrohlichen Gnomus über das kecke Ballett der Küken. In toto gesehen gelang dem Orchester eine sehr respektable Leistung, die vom Publikum mit viel Applaus honoriert wurde.
Artikel vom 19.04.2016 © Eßlinger Zeitung von Rainer Kellmayer.